Ist weniger mehr? Flüssigkeitsmanagement bei Frühgeborenen
- DKF
- 22. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 24. Okt.
Die RELIEF-Studie: Welche Rolle spielt die Flüssigkeitszufuhr bei der Entstehung der Bronchopulmonalen Dysplasie bei Frühgeborenen?

Hintergrund
Komplikationen infolge Frühgeburtlichkeit sind die führende Todesursache bei Kindern unter fünf Jahren. Weltweit versterben daran jährlich eine Million Kinder. Die häufigste schwerwiegende Komplikation der Frühgeburtlichkeit ist die Bronchopulmonale Dysplasie (BPD), eine chronische Lungenerkrankung des Frühgeborenen. Die Langzeitfolgen der BPD beinhalten eine erhöhte Sterblichkeit, wiederholte Hospitalisationen aufgrund von respiratorischen Infekten, eingeschränkte Lungenfunktion bis ins Erwachsenenalter und eine verzögerte neurologische Entwicklung.
Die Entstehung der BPD ist gekennzeichnet durch eine chronische Entzündung der Lunge. Diese wird nicht nur durch die unreife Lunge des Frühgeborenen begünstigt, sondern auch zum Beispiel durch mechanische Beatmung, Sauerstofftherapie oder Infektionen. In der Folge kommt es zu einer entzündungsbedingten Flüssigkeitsansammlung in der Lunge (inflammatorisches Ödem). Bereits vor über 30 Jahren wurde versucht, das inflammatorische Lungenödem mittels eingeschränkter Flüssigkeitsgabe zu therapieren und damit die BPD-Rate zu reduzieren. Die Ergebnisse damaliger Studien waren vielversprechend, sind aber aufgrund methodischer Einschränkungen und angesichts eklatanter Fortschritte in der Neonatologie auf die heutige Situation nicht übertragbar.
Forschungsfrage
Mit der RELIEF-Studie (Restricted versus liberal fluid intake for prevention of bronchopulmonary dysplasia) untersuchen wir, ob eine eingeschränkte Flüssigkeitsgabe im Vergleich zu einer grosszügigen Flüssigkeitsgabe bei Frühgeborenen die BPD-Rate sowie die Sterblichkeit reduziert.
Studienmethodik
RELIEF ist eine cluster-randomisierte, multi-periodische, Cross-over-Studie, die in allen neun zertifizierten Intensivstationen für Neugeborene in der Schweiz durchgeführt wird (Aarau, Basel, Bern, Chur, Genf, Luzern, Lausanne, St. Gallen, Zürich). Jede Intensivstation repräsentiert ein Cluster. Die Cluster variieren über 30 Monate in 6-monatlichen Perioden die Flüssigkeitsgabe und pendeln zwischen eingeschränkter und grosszügiger Flüssigkeitszufuhr. Eingeschlossen werden 750 frühgeborene Kinder, die vor der 30. Schwangerschaftswoche geboren wurden.
Das Besondere an RELIEF ist, dass sämtliche Zielvariablen aus dem obligatorischen Frühgeborenenregister der Schweiz erhoben werden und die Rekrutierung über den allgemeinen Forschungskonsent der teilnehmenden Spitäler erfolgt. Ersteres spart Ressourcen, Letzteres sorgt für eine hohe Rekrutierungsrate. Möglich ist dies, weil sowohl die eingeschränkte als auch die grosszügige Flüssigkeitszufuhr innerhalb des klinischen Behandlungsstandards liegen und Studienteilnehmende gleichbehandelt werden wie Nichtteilnehmende.
Bedeutung der Studie
Flüssigkeitsrestriktion in der Neonatologie ist eine einfach durchführbare Intervention, die keiner speziellen Technologien bedarf. Die Intervention ist dadurch weltweit umsetzbar und hat das Potenzial, die häufigste Langzeitkomplikation in der Neonatologie nachhaltig zu reduzieren.
Mitwirkende
Sponsorenteam
Sponsor: Universitäts-Kinderspital Beider Basel (UKBB)
Sponsor-Investigator: Prof. Sven Schulzke, Neonatologie UKBB
Studienarzt: PD Dr. Benjamin Stöcklin, Neonatologie UKBB
Wissenschaftliche Beratung: Prof. Julia Bielicki, pädiatrisches Forschungszentrum UKBB
Studienkoordinatorin: Anne Carrer, pädiatrisches Forschungszentrum UKBB
Statistiker: Dr. Andrew Atkinson, pädiatrisches Forschungszentrum UKBB
Lokale Prüfärztinnen und -ärzte der teilnehmenden Zentren
Aarau: KD Dr. Philipp Meyer, Kantonsspital Aarau
Basel: Prof. Sven Schulzke, UKBB
Bern: PD Dr. André Kidszun, Inselspital Bern
Chur: Dr. Bjarte Rogdo, Kantonsspital Graubünden
Genf: Prof. Riccardo Pfister, HUG
Lausanne: Prof. Eric Giannoni, CHUV
Luzern: PD Dr. Martin Stocker, Kantonsspital Luzern
St. Gallen: Dr. André Birkenmaier, Ostschweizer Kinderspital
DKF-Services
Data Management, Monitoring, Project Management, Regulatorik
Über den Autor des Berichts
PD Dr. med. Benjamin Stöcklin, PhD, Trial Physician der RELIEF-Studie

Leitender Arzt Neonatologie
Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)
Spezialisierung
Kinder-und Jugendmedizin, Schwerpunkt Neonatologie
Forschungsgebiet
Chronische Lungenerkrankung und Lungenfunktion bei frühgeborenen Kindern
Klinische Tätigkeit
Seit 2025: Leitender Arzt Neonatologie, UKBB
2019 - 2024: Oberarzt Neonatologie, UKBB
2016 - 2019: Fellow Neonatologie, King Edward Memorial Hospital, Perth, Western Australia
2010 – 2014: Assistenzarzt Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie
Wissenschaftliche Tätigkeit
Mitglied DKF-Forschungsgruppe Prof. S. Schulzke
2024: Habilitation im Fach Neonatologie, Medizinische Fakultät, Universität Basel
2021: Promotion zum PhD, University of Western Australia (UWA), Perth, Western Australia, International Postgraduate Research Fellowship
2015 - 2016: Research Fellow, Centre for Neonatal Research and Education (CNRE), King Edward Memorial Hospital, Perth, Western Australia, Schweizerischer Nationalfonds
2013: Research Fellow, UKBB, Spezialprogramm pädiatrische Forschung
2010: Promotion zum Dr. med., Medizinische Fakultät, Universität Basel



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